Interview: Lehrpläne sind auf hohem Niveau



Zum Thema Lehrpläne und Lehrerkompetenzen habe ich ein Gespräch mit einem Verantwortlichen aus dem niedersächsischen Kultusministerium geführt. Ich habe mit ihm zusammen mit einer Klassenkameradin gesprochen und diskutiert. Zunächst möchte ich mich ganz herzlich für dieses Gespräch und die Zeit des Mitarbeiters des Kultusministeriums bedanken. Doch leider hat die Diskussion nicht die von mir zuvor erhoffte Tiefe erreicht, was unter anderem auch durch die sehr langen und auch teilweise diffusen Antworten des Gesprächspartners beeinträchtigt wurde.

 

Wie werden die Lehrpläne in Niedersachsen erarbeitet?

 

Zur Erarbeitung der niedersächsischen Lehrpläne werden mehrere erfahrene Personengruppierungen herangezogen. Zum einen ein Gremium, welches aus Mitarbeitern des Kultusministeriums sowie aus erfahrenen Lehrkräften besteht. Diese Fachgruppe erarbeitet zunächst eine Grobfassung des Lehrplanes, die dann dem Landeseltern- und Landesschülerrat vorgelegt wird. Diese Gruppen beraten sich ebenfalls mit dem Schulbeirat, sodass am Ende jeder von seinem Einspruchsrecht Gebrauch machen kann und eine gemeinnützige Lösung gefunden wird. Man zieht zur Lehrplanerstellung demnach sowohl Schülerinnen beziehungsweise Schüler als auch Eltern und erfahrene Lehrkräfte heran.

 

Wenn ihrer Äußerung nach zu beurteilen auch Lehrkräfte an der Gestaltung der Lehrpläne aktiv mitwirken, warum fühlen sich viele von ihnen auch mit dem Lehrplan überlastet und hintergangen?

 

Dazu liegen mir leider keine Informationen vor. Das kommt dann immer auf den jeweiligen Einzelfall an, zudem ich mich jetzt nicht äußere, weil ich nicht alle Umstände kenne. Es gibt dann aber immer die Möglichkeit, sich mit dem Kultusministerium in Verbindung zu setzen. Ich verweise aber noch einmal auf die erfahrenen Lehrkräfte, welche die Lehrpläne mit gestalten und auch über ein Vetorecht verfügen. Sie kennen den Schulalltag schon relativ gut. Außerdem stimmen sich diese selbstverständlich auch mit dem Landeseltern- beziehungsweise Landesschülerrat ab. Von Letzterem kommt aber immer wenig Widerspruch, sodass wir von einer zufriedenen Schülerschaft ausgehen müssen. Wie gesagt, das Kultusministerium scheut keinen Konflikt mit Lehrkräften oder auch Schulkindern, denn wir sind immer an einer gemeinnützigen Lösung interessiert und sehen das Wohlbefinden unserer Lehrer- und Schülerschaft an oberster Stelle unserer Arbeit. Aufgrund der aber sehr durchdachten, zielstrebigen und realitätsnahen Ausarbeitung der Lehrpläne dürfte eine damit überforderte Lehrkraft eher ein Einzelfall bleiben. Da spielen dann natürlich auch die Komponenten des Umfeldes beziehungsweise der Schülerschaft eine tragende Rolle.

 

Warum ist Deutschland trotz dieser so vielen Maßnahmen „nur” Mittelmaß im Bereich schulischer Bildung? Würden sie Deutschland denn auch in dem genannten Segment als finanziellstarken Staat bezeichnen?

 

Deutschland ist ein seriöser und finanziellstarker und -unabhängiger Staat. Bildung ist ein sehr umstrittenes Thema, womit ich jetzt keineswegs Defizite in diesem Bereich ausschließen möchte. Aber dennoch ist es sehr schwierig, einen derart vielschichtigen Staat in einen Bildungsstandard einzuordnen beziehungsweise ihm einen zuzuordnen. Man denke doch nur einmal an Traditionen. Wir alle wachsen mit ihnen auf, sie werden über Generationen weitergegeben und prägen auch unseren Charakter. Somit kommen bestimmte Leistungsdifferenzen zustande. In den neuen Bundesländern werden beispielsweise in naturwissenschaftlichen Themenbereichen gute schulische Leistungen erzielt. In Süddeutschland behandelt man erfolgreicher sprachliche Fächer. Das waren jetzt nur einige Beispiele, aber sie zeigen, wie unterschiedlich unser Deutschland doch ist. Wir ergänzen uns, denke ich, ganz gut. Das Ergebnis der PISA-Studie ist jedoch immer auf das ganze Land bezogen, und so ist es offensichtlich, dass Deutschland mittelmäßig abschneidet. Wir werden dem entgegenwirken, aber letztendlich ist dies immer ein sehr langwieriger Prozess, indem wir alle, sowohl Schulkinder als auch Lehrkräfte, zusammenarbeiten müssen. Alle sollen miteinander und nicht gegeneinander lernen. Wir sind die Behörde mit dem Schwerpunkt niedersächsische Bildung und können leider nicht den Lehrerinnen und Lehrern ihr Verhältnis zur Schülerschaft diktieren. Trotzdem leisten wir unseren Beitrag mit den Lehrplänen, welche auf langfristige Sicht einen höheren Leistungsstandard in Deutschland hervorrufen werden, doch das benötigt viel Zeit, und wir alle arbeiten hart gemeinsam daran, den Prozess so schnell wie nur irgendwie möglich voranzutreiben. Ich möchte das jetzt gar nicht mehr so ausweiten, aber du stellst fest, schulische Bildung ist ein kontroverses Thema und steht auch im Zusammenhang mit Traditionen und Lernentwicklungen. Und die Entwicklung des deutschen Schulsystems ist positiv, zumindest leistet der niedersächsische Lehrplan dazu seinen Beitrag. Wir brauchen Zeit, dann wird ein langfristiger Erfolg auch von der PISA-Studie belegt werden. Wir sind gespannt! Aber man muss doch wohl einmal anmerken, dass hier auch die ganze Gesellschaft gefragt ist - und nicht nur das Kultusministerium. Bildung beginnt bereits zu Hause, wobei die Eltern der Schülerinnen und Schülern einen Anteil an der Leistungsentwicklung ihrer Kinder haben. Ist ihr Kind sehr gut in der Schule, preisen sie diesen auch immer an und verweisen natürlich weniger auf die gute Schule als auf ihre eigenen bildenden Fähigkeiten. Ganz anders ist es jedoch, wenn das betreffende Schulkind im Unterricht leistungsschwach ist. Dann werden immer zuerst die Schule und damit auch die Arbeit des Kultusministeriums sowie der Landesschulbehörde kritisiert. Auch hier müssten sich die Eltern mitverantwortlich fühlen. Das Kultusministerium begrüßt da selbstverständlich eine engere Zusammenarbeit, weil natürlich auch wir verantwortlich sind. Das steht ja außer Frage, aber da spielen eben noch weitaus mehr Komponenten in die Qualität unseres Schulsystems herein.

 

Heißt das, dass sie die Lehrpläne nicht für Deutschlands Mittelmaß im Bereich schulischer Bildung zur Verantwortung ziehen?

 

Es gibt da sicherlich einen kleinen Zusammenhang. Jeder macht einmal Fehler, aber jeder kann sie auch wieder gutmachen. So etwas mache ich zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kultusministerium. Dazu nutzen wir die Kommunikation mit Eltern, Schulkindern und Lehrkräften. Wir wollen den Lehrplan stets aktuell halten sowie auch damit auf die Zukunft vorbereitet sein. Wir gestalten ihn oft effizienter, und doch ist er noch nicht ganz perfekt. Niedersachsen ist aber auf einem guten Weg; das zeigen nationale Vergleichsarbeiten in Mathematik und Deutsch. Ich sehe bei Lehrplänen wenig Verbesserungsbedarf; man kann zwar hier und da etwas feilen beziehungsweise verbessern, aber das Gesamtbild ist stimmig und zukunftsorientiert, nichtsdestotrotz natürlich auch durch die gute Kommunikation mit Schulkindern, Lehrkräften und Eltern. In erster Linie fordere ich kleinere Klassen, dann könnte einfach öfter auf jedes Schulkind eingegangen werden, und der Unterricht würde individueller. Doch wir könnten jetzt auch über Gebäudeausrüstung und Lehrerkompetenzen streiten, aber dafür ist eigentlich der Schulträger, also die jeweilige Kommune, verantwortlich. Das Kultusministerium in Niedersachsen liefert lediglich äußere schulische Umstände. Der Bildungsetat macht im niedersächsischen Haushalt die höchste Summe aus, sodass wir alle schon ausreichend in Bildung investieren und uns dadurch langfristige Erfolge erhoffen.

 

Woran, meinen sie, liegt dann Deutschlands Bildungsdefizit?

 

Wir können das nicht so verallgemeinern. Wie ich schon sagte, liegt es eher nicht an äußeren Umständen. Viel mehr müsste sich der Schulträger dazu bewegen, mehr zu investieren, was jedoch alles schwierig möglich sein dürfte, denn die Kassen sind leer. Dann habe ich ja von traditionsbedingten Leistungsdifferenzen gesprochen, und diese lassen sich nur auf sehr langfristige Sicht in Einklang mit einem stimmigen deutschen Gesamtbild im schulischen Bildungsbereich bringen. Sicherlich sehe ich vielleicht auch bei den Lehrkräften einen Schlüssel zum Erfolg, weil sie ja schließlich mit den Schülerinnen beziehungsweise Schülern direkt in Kontakt treten und die Lehrpläne umsetzen müssen. Durch deutschlandweite Vergleichsarbeiten kann dann auch das Kultusministerium das jeweilige Bundesland, für das es zuständig ist, in den nationalen Leistungsvergleich einordnen. Wir in Niedersachsen sind sehr erfreut, dass insgesamt ungefähr vierzig Prozent die zwei höchsten Kompetenzstufen ,vier und fünf' im Bereich Mathematik im achten Jahrgang am Gymnasium erreicht haben. Das unterstreicht die positive Tendenz. Außerdem bestätigt es meine Arbeit und die meines Kollegiums. Sicherlich können wir durch verbesserte Lehrerkompetenzen einen weiteren Schritt noch vorn tun, und daran sind alle in Niedersachsen interessiert!

 

Unser Klassenlehrer ist leider eher unmotiviert, sodass er uns nicht für sein Fach begeistern kann. Wo sehen sie dort Verbesserungsbedarf?

 

Ich kenne euren Klassenlehrer nicht genau und somit auch nicht nähere Umstände des gesonderten Falles. Manchmal können aber spätere Schicksalsschläge zur unmotivierten, biederen und verschlossenen Persönlichkeit einer Lehrerin oder eines Lehrers führen, und dann ist es, da habt ihr recht, sehr schwierig, mit dieser bestimmten Lehrkraft zu arbeiten, weil ihr Unterricht wohl nur noch wenige Schulkinder erreichen dürfte. In so einem Fall gibt es immer die Option, sich an den betreffenden Lehrer direkt zu wenden und mit ihm nach einer gemeinnützigen Lösung zu suchen. Sonst kann man auch den Schulleiter oder im Extremfall die Schulaufsicht benachrichtigen. Wichtig ist dabei, dass man zuerst miteinander spricht und nicht nur übereinander! Ich war selbst fast zehn Jahre Schulleiter und auch noch einmal so lange Lehrkraft und habe mir somit eine gewisse Erfahrung angeeignet. Damals traten bei mir ebenfalls ähnliche Fälle auf, und zuerst wurde sich an den Schulelternrat und dann an mich gewendet. Wir haben dann gemeinsam versucht, den Konflikt zu lösen, was keinesfalls immer so einfach war. Ich erinnere mich noch sehr gut an ein Problem, das wir alle vor Gericht lösen mussten. Damals habe ich als Schulleiter gegen meine frühere Lehrkraft ausgesagt, weil ich ihren Unterrichtsstil für die heutige Zeit als nicht mehr tragbar einstufte. Und sie konnte oder wollte ihn auch nicht verändern. Wenn Lehrerinnen beziehungsweise Lehrer heute wie vor zehn Jahren unterrichten, werden sie die schnelllebige Jugend nicht mehr erreichen können. In so einem Fall ist es wichtig, als betroffene Schülerschaft schnell zu handeln und das direkte Gespräch zu suchen, denn so leisten auch die Schulkinder in Kooperation mit der Elternschaft und der Schulleitung einen Beitrag für ein besseres Schulsystem in Deutschland. Somit muss man sagen, dass ein Schulleiter sowohl das Wohl seiner Lehrkräfte als auch das seiner Schulkinder im Blick haben muss. Es ist nicht immer einfach, einmal einer Lehrkraft und dann wieder der Schülerschaft beizustehen; das kann ich gut verstehen, aber das sollte man als Schulleiter können, denn man trägt Verantwortung - nicht nur für sich, sondern für die ganze Schüler- und Lehrerschaft und das deutsche Bildungssystem, in welchem man einen wichtigen Teil ausfüllt!

 

Werden dann Lehrer ihrer Meinung nach zu kurz und viel zu theoretisch ausgebildet?

 

Das glaube ich nicht, auch wenn das jetzt nicht mein Fachgebiet ist. Ich sagte gerade, dass sich die Jugend in dieser Zeit rasend schnell weiterentwickelt und somit stark verändert. Darauf kann man keine Lehrkraft im Studium vorbereiten. Da werden ganz einfach Schulthemen studiert und ein paar pädagogische Fähigkeiten vermittelt. Wenn man als Lehrerin beziehungsweise Lehrer auch nach längerer Berufszeit noch erfolgreich sein und Schulkinder für ein Fach begeistern möchte, muss man Fortbildungen belegen. Diese werden entweder während der Schulzeit oder gelegentlich auch in den Ferien für interessierte Lehrkräfte angeboten. Sie sind jedoch nicht verpflichtend, sodass sie nur von knapp der Hälfte aller Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland genutzt werden. Da liegen mir aber keine repräsentativen Zahlenwerte vor. Das ist alles sehr komplex und nicht transparent genug, um allgemeine Aussagen zu machen, weil es eigentlich immer auf den jeweiligen Einzelfall ankommt. Das Kultusministerium bemüht sich stets um zahlreiche und aktuelle Fortbildungen für sowohl junge als auch schon ältere beziehungsweise erfahrene Lehrkräfte, welche Interesse zeigen. Man kann daher sagen, ein Drittel der Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland arbeitet gut, ein Drittel arbeitet und ein Drittel macht nur Arbeit! Auch ihr werdet sicherlich gute Lehrkräfte an eurer Schule kennen, oder?

 

Ja, natürlich. Ich kann mich ihrer letzten Äußerung durchaus anschließen. Aber wie verfahren sie mit dem letzten Drittel, das nur Arbeit macht?

 

Die Antwort steckt ja schon im Spruch selbst: Diese Lehrerinnen beziehungsweise Lehrer machen nur Arbeit - und zwar für die Eltern, die Schulkinder, die Schulleitung und dann vielleicht sogar für die Schulaufsicht, denn jede Beschwerde gegen eine Lehrkraft wird genau geprüft, und das ist sehr aufwendig. Trotzdem wird dieser nachgegangen und nach einer gemeinnützigen Lösung gesucht. Das ist alles sehr vielschichtig, sodass ich eigentlich schon alles zum Thema gesagt habe. Es kommt auch immer auf den konkreten Fall an.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Ja, bitte schön! Es hat mich sehr gefreut, interessierten Schülerinnen und Schülern von der Arbeit des Kultusministeriums zu berichten. Ich denke, dass wir alle schon noch viel Arbeit in der schulischen Bildung zu erledigen haben. Letztendlich darf die Umsetzung der vom Kultusministerium geplanten Maßnahmen beziehungsweise Neuerungen nicht an der Schule scheitern. Hier verspreche ich Nachholbedarf. Wir müssen die Kommunikation von der Behörde mit den Schulen sowie insbesondere mit den Eltern, Schulkindern und der Schulleitung stärken und miteinander arbeiten! Das ist der erfolgreiche Schlüssel für Deutschlands Bildungsaufstieg! Setzt euch bitte weiter für eine bessere Bildung ein, auch wenn es ein weiter Weg ist. Macht erst einmal den ersten Schritt, denn dann läuft es von ganz allein. Alles Gute für eure Zukunft!

 

Rechtliche Hinweise


Einige Informationen, die aus dem veröffentlichten Interview hervorgehen, werden unter Umständen teilweise verzerrt oder gänzlich fehlerhaft wiedergegeben. Dies ist auf meine geringe Erfahrung in der Pressebranche sowie auf die sehr komplexen und diffusen Antworten des Gesprächspartners und damit auch gegebenenfalls auf meine eingeschränkte Fachkompetenz zurückzuführen. Alle Angaben sind ohne Gewähr! Danke für Ihr/Dein Verständnis!

 

 

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